TIP Einführung

In diesem Abschnitt finden Sie die Beschreibung des TIP Einführungsprogramms: Wie Sie in konkreten Schritten das Programm vorbereiten und umsetzen. Sie können das Programm alsFührungsperson initieren oder als Teammitglied anstossen. Hier erfahren Sie, worauf Sie bei den einzelnen Schritten achten sollten. Wenn Sie mehr über das TIP Programm erfahren möchten, finden Sie eine Beschreibung zur Umsetzung der drei Workshops unter «TIP Programm».

In diesem Schritt geht es darum, sich erste Gedanken zur eigenen Haltung in Bezug auf die Influenzaprävention zu machen, und dem was man damit erreichen will. Entscheidend in diesem ersten Schritt ist auch die Information und Aufklärung der Managementebene. Ein weiterer Bestandteil dieses ersten Schrittes ist die Motivation von weiteren Personen für die Umsetzung.

Ziele

  • Die eigene Haltung ist reflektiert
  • Personen der Managementebene sind informiert und einbezogen
  • Kolleginnen und Kollegen wurden zur Mitarbeit motiviert

Die Teilnahme am TIP Programm beruht auf Freiwilligkeit. Die erfolgreiche Umsetzung lebt von der Motivation der Pflegefachkräfte, welche sich mit ihrer Sicherheitskultur und ihrem Präventionsverhalten als Team auseinandersetzen wollen. Umso wichtiger ist es für die das Program initiierende (z. Bsp. Abteilungsleitung), die Grundlage des Programms und die Möglichkeiten der Intervention zu verstehen und zu kommunizieren.

In den letzten Jahren hat sich ein Druck auf Pflegefachkräfte in Gesundheitsinstitutionen aufgebaut infektpräventive Massnahmen um. Nicht nur aus den Medien, sondern auch intern wird die Prävention von nosokomialen Infektionen im Bereich Influenza mit der Influenzaimpfung gleichgesetzt. Dabei werden weitere Präventionsmassnahmen wie die Händehygiene, das Maskentragen und andere ausgeblendet. Aufgrund der tieferen Impfraten bei Pflegefachpersonen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen verspüren Pflegende Druck von Vorgesetzten, Abteilungsleiterinnen und der Spitalleitung. Dies hat in den letzten Jahren zu typischen Reaktionen auf Druck geführt, die in der Fachliteratur als Reaktanzreaktionen bekannt sind (11). Eine typische Reaktanzreaktion ist die Verweigerung, sich mit dem Thema Impfung auseinanderzusetzen und damit die Influenzaimpfung als Tabuthema innerhalb des Teams und der Abteilung auszuklammern.

In Bezug auf die Influenzaprävention im Spital hat sich in den Jahren vor der COVID Pandemie Druck auf Fachpersonen in Gesundheitsinstitutionen aufgebaut. Dabei wurde die Influenzaprävention in den Medien und auch im Management zumeist mit der Impfung gleichgesetzt und andere Präventionsmassnahmen weitgehend ausgeblendet. Aufgrund der häufig tieferen Impfraten bei Pflegefachpersonen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen verspürten insbesondere Pflegende diesen Druck von Vorgesetzten, Abteilungsleiterinnen und der Spitalleitung. Dies hat zu typischen Reaktionen auf Druck geführt, die in der Fachliteratur als Reaktanzreaktionen bekannt sind (11). Eine typische Reaktanzreaktion ist die Verweigerung, sich mit dem Thema Impfung auseinanderzusetzen und damit die Influenzaimpfung als Tabuthema innerhalb des Teams und der Abteilung auszuklammern.

In diesem ersten Schritt soll die Abteilungsleiterin oder der Abteilungsleiter die eigene Haltung in Bezug auf die Prävention von nosokomialen Infektionen im Spital in Bezug auf Influenza prüfen. Folgende Fragen können helfen, sich mit dem Thema vertraut zu machen:

Wie setzen wir im Spital Präventionsmassnahmen im Bereich Influenza um?

  • Wie gehen wir mit den Themen Influenza, Influenzaprävention und Präventionsverhalten um?
  • Wie stehe ich persönlich zu Influenzapräventionsmassnahmen und speziell zum Thema Influenzaimpfung?
  • Sehen wir das Thema Influenzaimpfung negativ und hat dies innerhalb von Pflegeteams zu einer Tabuisierung geführt?
  • Verspüre ich Druck auf mich, meine Pflegeteams und andere Berufsgruppen, mich impfen zu lassen?
  • Wie hat sich dieser Druck bei uns ausgewirkt?
    Sind mir Abwehrreaktion aufgefallen, zum Beispiel indem Pflegende sich weigern, sich zu Gründen für oder gegen eine Impfung zu äussern oder ihren Impfstatus preiszugeben?

Um den Erfolg des Programms zu erhöhen, benötigt es sowohl die Unterstützung der obersten Pflegeleitung, der Spitalhygieneleitung als auch der Spitalleitung. Dies garantiert, dass das Programm sowohl mit Ressourcen als auch ideologisch unterstützt wird (8) Auf organisatorischer Ebene sollte das Programm optimalerweise in der Gesamtstrategie verankert sein. Eine Verbindung zwischen TIP und Spitalstrategie oder zumindest Hygiene- und Pflegestrategie wird optimalerweise aufgezeigt (25).

Das TIP Programm ermöglicht es Führungspflegepersonen, innerhalb des Teams über Präventionsverhalten und Sicherheitskultur im Bereich Influenza zu sprechen. Das Programm bietet einen Ausweg, den Druck auf Pflegefachpersonen zu verkleinern und den Fokus auf die Influenzaprävention und die damit verbundenen gemeinsamen Werte und Haltungen in der Pflege zu richten. Daher sollte im Rahmen des Lobbyings für das Programm gegenüber der Managementebene die Sinnhaftigkeit der Patientensicherheit, des Präventionsverhaltens und der Druckentlastung im Zentrum stehen.

Besonderes Gewicht soll auf die Kommunikation des Referenzsystems gelegt werden. Das Programm definiert den Erfolg anhand von Resultaten im Bereich des Präventions- und Sicherheitsverhaltens auf der Teamebene. Die Annahme dabei ist, dass bei kontinuierlicher Entwicklung dieser Bereiche, die nosokomialen Infekte reduziert werden können. Dieses Referenzsystem sollte klar gegenüber der Managementebene kommuniziert werden. Das Referenzsystem des Programms soll eben nicht auf der Impfrate bei einer spezifischen Berufsgruppe liegen.

Das TIP Programm findet auf freiwilliger Basis statt. Umso wichtiger ist die Überzeugungsarbeit unter Kolleginnen und Kollegen, um Teilnehmende für die Umsetzung zu finden. Hierbei spielen unterschiedliche Hindernisse eine Rolle, die proaktiv angegangen werden sollten. Eines der grössten Hindernisse ist der Zeitmangel. Der zeitliche Druck wird von vielen Pflegeteams wahrgenommen. Umso wichtiger ist die volle Unterstützung der Leitung einerseits und die genuine Motivation der Teilnehmenden andererseits (6). Die drei Workshops finden als Arbeitszeit statt.

Ein weiteres Hindernis bildet die Gewichtung des Themas. Nicht alle Pflegeteams haben eigene Erfahrung mit Influenzafällen auf ihren Stationen. Dies kann dazu führen, die Auswirkungen der Influenza zu unterschätzen, aber auch die eigene Rolle im Prozess zu negieren. Dies betrifft sowohl die Wichtigkeit, Patienten zu schützen als auch sich selbst zu schützen. Dem Thema wird dann eine geringere Wichtigkeit zugeschrieben (34). Unsere Forschung hat gezeigt, dass Pflegende der Patientensicherheit einen höheren Stellenwert zuschrieben, wenn sie Influenzafälle auf der eigenen Station erlebten. Sie waren auch motivierter, das TIP Programm auf der eigenen Station durchzuführen. Ausserdem kann es helfen zu kommunizieren, dass die Grundstruktur des Programms auch für andere Themen der Patientensicherheit adaptiert werden kann.

Ein drittes Hindernis ist die Frage der Zuständigkeit und Aufgabenbereiche der Stationsleitungen. Diese ist in Spitälern unterschiedlich geregelt. Einige Stationsleitungen sind für den reibungslosen Ablauf des klinischen Alltags zuständig und nehmen keine weiteren Aufgaben im Rahmen der Teamkultur und Präventionsverhalten wahr. Andere Stationsleitungen sehen sich darüber hinaus für strategische Fragestellungen verantwortlich. Diesen unterschiedlichen Aufgabenbereichen ist bei der Umsetzung Rechnung zu tragen. Das TIP Programm hat in unserer Studie dort gut funktioniert, wo sich mindestens eine Person innerhalb des Kernteams als verantwortlich und zuständig fühlte, die Patientensicherheit und die Teamkultur weiterzuentwickeln.

Gleichzeitig ist die herausfordernde Rolle der Stationsleitung zu beachten. Während des Programms wird der zeitliche Druck auf sie und ihr Team erhöht. Das Thema Influenzaimpfung, das eventuell in den letzten Jahren als Tabuthemen innerhalb des Diskurses ausgegrenzt wurde, muss innerhalb der Diskussionen um Sicherheitsverhalten und Prävention des Teams angesprochen werden. Das setzt gute voraus, um den Druck auf das Team zu verringern und eine offene und vertrauensvolle Diskussion zu ermöglichen. Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Stationsleitung eine zentrale Rolle in diesem Prozess einnimmt. Darum ist es wichtig, dass sie von der nächst höheren Führungsebene unterstützt wird.

In Schritt 2 geht es darum, die Moderatorinnen zu finden, Teilnehmende zu motivieren und ein Kernteam zu definieren. Wichtige Voraussetzungen für die Rolle der Moderatorin, Hintergründe für die Zusammensetzung des Moderations-Tandems sowie die Rolle der Stationsleitung finden Sie hier.

Pflegeteam: Wird definiert als Personen, die gemeinsam in relativ konstanter Zusammensetzung eine Gruppe von Patienten betreut und sich selbst als Team definiert. Je nach Organisationsform des Spitals, kann dies eine Pflegestation, eine Abteilung oder auch nur ein Teil einer Abteilung sein.

TIP Kernteam: Wird definiert als Gruppe von Pflegenden aus dem Pflegeteam, die motiviert sind, das TIP Programm anzuwenden. Das TIP Kernteam nimmt an den drei Workshops teil. Es bezieht das Pflegeteam in Diskussionen regelmässig ein und setzt die Massnahmen gemeinsam um. 

Ziele

  • Moderatorinnen ernannt
  • Kernteam ist gefunden

Aufgrund der oben beschriebenen Barrieren (Zeitmangel, Druck und Tabusituation, Erlebbarkeit der Influenza im eigenen Alltag) braucht es Energie und Zeit, um Partnerinnen für das Trainingsprogramm zu finden. Im Vordergrund der genannten Barrieren steht der Zeitmangel, der in den Gesprächen adressiert werden muss. Überzeugung erfolgt über die Bedeutung der Patientensicherheit im pflegerischen Alltag. Die Stationsleitung wird über ihre Eignung als Führungskraft gewählt, denn sie muss das Kernteam durch die Workshops begleiten sowie das gesamte Team durch die Veränderungsprozesse begleiten.

Wichtig ist ausserdem der Hinweis sowohl auf die Freiwilligkeit bei der Teilnahme als auch auf die Wahlfreiheit hinsichtlich der Umsetzungsmassnahmen. Dies bedeutet, dass die Massnahmen vom Team und der Leitung gemeinsam ausgewählt und durchgeführt werden.

Die Stations- oder Teamleitung wird in ihrer Führungsfunktion als wichtige Person im teamorientierten Veränderungsprozess einbezogen. Sie ist grundsätzlich mit der Einführung des Programms einverstanden. Grundsätzlich kann sie als Moderatorin oder als Teilnehmerin auftreten. Falls sie als Teilnehmerin dabei ist, wird sie von den Moderatorinnen in die Vor- und Nachbesprechung der Work-shops einbezogen. Dies ist wichtig, weil Teamprozesse in der Umsetzung nicht immer vorhersehbar sind. Diese müssen durch sie als Führungspersonen wirksam mitgesteuert werden.

Die Stabilität des Moderationsteams und des Kernteams ist ein weiterer fördernder Faktor für das Programm. Die Personen sollen so ausgewählt werden, dass sie über die Dauer 3 Workshops hinaus für Stabilität und Leadership sorgen und die beschlossenen Massnahmen weiterführen und weitertragen (29)

Um den kollektiven Charakter des Programms zu unterstützen, wird ein Moderationsteam, bestehend aus zwei Personen gesucht. (8, 47)

Bei der Auswahl der Personen sollen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Grundsätzlich sollte das Moderations-Team Fachkompetenz im Bereich der Spitalhygiene und Pflege sowie Methodenkompetenz im Bereich Practice Development und/oder Change-Management vereinen. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass eine vorbestehende gute Akzeptanz dieser Personen bei den Pflegeteams den Prozess vereinfacht. Die Moderatorin mit der grösseren Expertise im Change-Management und Führung begleitet optimalerweise den Veränderungsprozess mit dem Kernteam und wird dabei von der zweiten Moderatorin unterstützt, wobei diese stärker die fachliche Entwicklung unterstützt. Also beispielsweise sicherstellt, dass fachliche Unklarheiten Evidenzbasiert geklärt werden können.

Das TIP Programm basiert auf der Annahme des Positive Deviance Ansatzes (3). Dies ist die Beobachtung, dass einzelne Mitglieder oder Teams Lösungen und Lösungswege entwickeln können, die innovativ sind und später von anderen übernommen werden können.

Die Auswahl des Kernteams führt über die Stationsleitung (Leiterin eines Pflegeteams). Die Stationsleitung muss grundsätzlich mit dem Programm einverstanden sein. Sie kennt ihr Team am besten und kann die Veränderungsprozesse steuern und begleiten.
Bei der Auswahl des Teams soll der anspruchsvollen Führungsrolle der Team- oder Stationsleiterin Rechnung getragen werden. Aufgrund des Zeitmangels, des Drucks auf die Pflegenden und des Tabuthemas Influenzaimpfung erwartet sie eine herausfordernde Situation. Das Tabuthema Influenzaimpfung ist für viele Pflegefachkräfte ein leidiges Thema, mit welchem sie sich nicht mehr auseinandersetzen möchten. Oft fühlen sie sich von anderen Berufsgruppen im Spital unter Druck gesetzt. Für die Stationsleitung steht ihre eigene Position innerhalb des Teams auf dem Spiel, wenn sie ein Tabuthema zur Sprache bringt und gleichzeitig den zeitlichen Druck erhöht. Es fällt daher einfacher, wenn die Stationsleitung von der Wichtigkeit von Präventionsverhalten und Sicherheitskultur überzeugt ist und gleichzeitig die Rolle hat, diese Themen im klinischen Alltag zu steuern. Akzeptanz innerhalb des Pflegeteams und Führungsqualitäten sind weitere wichtige Voraussetzungen, um die Intervention um-zusetzen. Letzteres ist besonders nötig, um das Pflegeteam durch den Veränderungs-prozess zu führen. In unseren Studien waren die Team- oder Stationsleiterinnen nicht als Moderatorinnen tätig, um die komplexen Herausforderungen abzuschwächen. Jedoch haben sie verbindlich die Umsetzung und die daraus entstehenden Massnahmen des Kernteams mitgetragen.

Um die Offenheit gegenüber dem Thema herbeizuführen, ist die Haltung des Teams, aber in erster Linie die Führungsqualitäten des Moderationsteams und der Abteilungsleitung wichtig. Siehe dazu Schritt 1. Unsere Forschung hat gezeigt, dass führungsstarke Moderatorinnen eine Offenheit und Reflexion im Pflegeteam herbeiführen können. Auch hier sollte wieder auf die Freiwilligkeit hingewiesen werden.

Die Motivation des Kernteams wird über die Sinnhaftigkeit von Prävention und Sicherheitskultur herbeigeführt. Patientensicherheit hat bei Pflegenden einen sehr hohen Stellenwert, wie aus den Interviews (siehe TIP Programm) bekannt ist. Jedoch hat unsere Forschung gezeigt, dass Pflegende die korrekte Umsetzung ihrer Präventionsmassnahmen (Händehygiene, Maskentragen, Hustenetikette und anderes) generell überschätzen. Das TIP Programm gibt ihnen nun die Möglichkeit, den Schutz der Patientinnen und Patienten vor nosokomialen Infektionen der Influenza zu diskutieren, ohne den Fokus auf eine einzelne Massnahme zu legen. Präventionsmassnahmen werden in Bezug auf Stärken und Schwächen in der Umsetzung als Team diskutiert, und beinhalten neben der Impfung auch eine gute Händehygiene, Maskentragen Isolation, Besuchermanagment und weitere Massnahmen. Für eine gute Patientensicherheit in Bezug auf die Influenza, müssen solche kombinierten Massnahmen als Team im komplexen Arbeitsalltag umgesetzt werden.
Das Tabu der Grippeimpfung scheint die Diskussion über Massnahmen zur Patientensicherheit gegen nosokomiale Influenza-Infektionen zu behindern. Durch die oben beschriebene Vorgehensweise (gemeinschaftsorientiert, intrinsisch motiviert, lösungsorientiert) kann der Druck von intern (insbesondere durch das Management) und von extern (durch andere Berufsgruppen und Medien) zumindest für die Dauer der Intervention reduziert werden.

In Schritt 3 steht die Planung und Vorbereitung der drei Workshops mit den Teilnehmenden an. Die Inhalte müssen zusammengestellt und gemäss den definierten Zielen angepasst werden. Zur Schulungsvorbereitung gehört auch die Planung der Daten und entsprechende Einladung. Weitere detaillierte Inhalte für die Durchführung der drei Workshops finden Sie im Kapitel TIP Programm, Unterkapitel «Die Umsetzung der TIP Trainingsprogramm Workshops».

Ziele Vorbereitungsphase

  • Inhalte und Ziele der Intervention sind definiert
  • Datum, Zeit und Raum der Workshops sind festgelegt und Einladungen versendet
  • Projektkommunikation ist vorbereitet

Inhalte

Unsere Forschung zeigte, dass die Erwartungen der Führungspersonen an die Wirkungen der Workshop sehr unterschiedlich waren. Die Ziele des TIP Programms sind als Veränderung im Präventionsverhalten definiert und zwar in den Bereichen in denen sich die Teams Ziele gesetzt hatten. Wurde in der Studie dieses Ziel erreicht, erlebten sich die Pflegeteams als erfolgreich. Führungspersonen definierten das Ziel gelegentlich jedoch als Erhöhung der Impfrate auch wenn die Teams nicht in dem Bereich Ziele und Massnahmen geplant hatten. Deshalb soll darauf geachtet werden, dass die Ziele des TIP Programms allen beteiligten Führungsebenen im Spital klar kommuniziert werden.

Dazu benötigt es detaillierte Aufklärungsarbeit auf allen Führungsebenen innerhalb des Spitals oder der Klinik. Die Gespräche auf Ebene Spitalleitung und/oder Direktion, Pflegeleitung und Abteilungsleitungen sollten vor dem Start des TIP Programms durchgeführt werden.

Das Moderationsteam plant die zeitliche Abfolge der drei Workshops und versendet die Einladungen so früh wie möglich. Für das Forschungsprojekt wurden die Abstände zwischen den Workshops mit 2-3 Wochen definiert, weil dazwischen mit dem Gesamtteam gearbeitet werden sollte. Diese Abstände waren in der Praxis oft nicht umsetzbar und schlussendlich nicht so relevant, weil die Arbeiten im Gesamtteam manchmal zusammengefasst wurden. Da die Workshops aufeinander aufbauend sind, empfehlen wir jedoch eine Umsetzung aller Work-shops innerhalb von 2-3 Monaten und zeitlich möglichst vor einer Influenza Saison. Die Räume sollten genügend Platz bieten für Gruppenarbeiten. Flipchart, Moderationskoffer und Beamer stehen zur Verfügung.

Die Projektkommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des Trainingsprogramms und sollte frühzeitig überlegt und geplant werden. Hierbei sind alle Ebenen innerhalb des Spitals oder der Institution in die Planung einzubeziehen.

Managementebene: Auf der Managementebene steht die Aufklärungsarbeit vor dem Programmstart und die Ergebnisdokumentation nach Abschluss im Vordergrund. In der Kommunikation mit der Managementebene sollte besonderes Gewicht auf die Ziele des Programms gelegt werden. Die Steigerung des Präventions- und Sicherheitsverhalten innerhalb des Teams muss als Ziel im Vordergrund stehen. Dabei besteht die Gefahr, dass die Managementebene die Erhöhung der Influenzaimpfrate innerhalb einer spezifischen Berufsgruppe als einziges Ziel setzt. Dies wäre kontraproduktiv, da es wiederum den Druck auf die Pflegenden erhöht und die Aktivierung des Kollektivs verhindert, um nachhaltige Lösungen zur Verbesserung des Präventionsverhaltens in verschieden Bereichen zu finden. Aus der Forschung ist bekannt, dass der Weg über die teambasierte Selbstwirksamkeit eine nachhaltige Teamsicherheitskultur bewirken kann (3).

Gesamtteam: Während dem Programm soll ein guter Austausch zwischen dem Kernteam, welches an den Workshops teilnimmt und dem Gesamtteam stattfinden. Damit wird den Mitarbeitenden des Gesamtteams auch die Möglichkeit zu Feedback gegeben (6). Bestehende Kommunikationskanäle wie Newsletter, Emails, Intranet, Teammeetings, Aushänge , Weiterbildungsplattformen und andere können bereits beim Start des Programmes organisiert werden. So können auch Teammitglieder angesprochen werden, die nicht an den Workshops teilnehmen. Weiter sollen die Kanäle bereitstehen, in welchen Feedback nach Interventionsabschluss fliessenAlle Unterlagen zur Intervention selbst sollen für alle jederzeit verfügbar und abgerufen werden können Der Informationsstand sollte so gross wie möglich sein, denn damit erhöht sich der Erfolg der Intervention (29).

Pflegeabteilung und eventuell Gesamtspital: Der Abschluss des Projektes inklusive Outcomes soll zwingend innerhalb des Gesamtteams, aber auch in die Managementebene hinein kommuniziert werden, um die Verbreitung der Outcomes zu garantieren (47).

In Schritt 4 geht es in die eigentliche Durchführung des Kernprogramms, welches aus drei Workshops mit den Moderatorinnen und dem Kernnteam besteht. Die einzelnen Ziele und Durchführungen sowie weiterführende Unterlagen finden Sie im Bereich TIP Programm

Ziele

  • Drei Workshops wurden durchgeführt

Durchführung der Assessments

Ziel des ersten Workshops ist es, gemeinsame Werte im pflegerischen Alltag mit dem Kernteam zu definieren und einen Bezug zur Patientensicherheit zu schaffen. Die Ergebnisse (Werte und Visionen) werden schriftlich auf einem Poster festgehalten. Dabei werden diese Werte im Sinne von «positive affirmations» (BCT 14.3) wiederholt und betont (Siehe dazu Behavior Change Technique BCT 14.3 (38).

Ziel des zweiten Workshops ist es, auf der Grundlage der gemeinsamen Werte zu reflektieren, wie die eigene Praxis in Bezug auf die Patientensicherheit vor viralen respiratorischen Infektionen einzuschätzen ist. Ergebnis dieses Workshopsist eine Liste der Stärken und Schwächen des Teams (geteilte Wahrnehmung) und ein Plan, wie fehlende Informationen und Daten gesammelt werden können. Dieser Prozess wird durch Feedbacktechniken und Selfmonitoringtechniken unterstützt (Siehe dazu Behavior Change Technique BCT 2.2 und BCT 2.3 (38).

Ziel des dritten Workshops ist es, auf Grundlage der Reflexion der eigenen Praxis, zu definieren, was, wie und bis wann verändert werden soll und wie dies wieder überprüft wird. Dazu werden verschiedene Verhaltensänderungstechniken eingesetzt. Ergebnis dieses Workshopsist eine Aktionsliste mit SMARTen Zielsetzungen und ein schriftlicher Aktionsplan.

Einer der wichtigsten Schritte ist die Festlegung der Ziele. Diese sollen SMART formuliert sein.

Specific: Ziele sollen eindeutig formuliert sein. Was wollen wir genau erreichen? Hier sollen die Moderatorinnendarauf achten, die Ziele der Intervention nicht aus den Augen zu verlieren. Es soll die Patientensicherheit im Mittelpunkt stehen, nicht einzelne Präventionsmassnahmen, sondern Massnahmenbündel.

Measurable: Das formulierte Ziel muss messbar sein. Dazu muss eine Ausgangssituation möglich sein und eine Zielsituation vorgegeben werden. Beispielsweise: «Auf unserer Station werden wir die Adhärenz der Händehygiene von 67% auf 80% steigern.» Dazu muss die Surveillance der Adhärenz bereits bestehen. Ansonsten muss ein anderes Ziel gesetzt werden.

Achievable: Die gesteckten Ziele müssen für das Kernteam und die Stations- oder Teamleiterin erstrebenswert sein.

Reasonable: Nicht zuletzt müssen die Ziele so gewählt werden, dass das Kern- oder Gesamtteam dieses Ziel in der festgelegten Zeit und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen erreichen kann.

Time-bound: Das Ziel muss mit einem Datum versehen werden, so dass die Zielerreichung innerhalb eine bestimmten Zeitspanne werden kann.


In Schritt 5 wird der Veränderungsprozess begleitet und evaluiert. Dieser beginnt bereits in Schritt 4. Die Überprüfung der Zielerreichung und gegebenenfalls deren Anpassung werden durch die Stations- oder Teamleiterin durchgeführt. Die Moderatorinnen besprechen und reflektieren die Workshops im Nachgang mit der Leitungsperson. Der Leitungsperson wird auch im Verlaufe der nächsten Schritte die Möglichkeit gegeben, sich zu reflektieren. Erinnerungen für diese Gespräche (auch telefonisch möglich) sollen durch die Moderatorinnen versendet werden.

Ziele

  • Feedback wurde abgeholt und schriftlich festgehalten
  • Gesamtevaluation der Intervention liegt schriftlich vor
  • Abschluss markieren

Inhalte

Eine erste mündliche Besprechung zwischen den Moderatorinnen und der Teamleitung soll innerhalb zwei Wochen nach Abschluss des dritten Workshops erfolgen und danach in definierten Abständen bis zum Abschluss der Massnahmenumsetzung. Bei diesen Besprechungen sollte insbesondere die Stimmung in Bezug auf die Umsetzung der geplanten Massnahmen und Zielerreichung diskutiert werden. Dabei können auch Barrieren für die Umsetzung erkannt werden. Im Weiteren soll die Kommunikation mit dem Gesamtteam angesprochen werden. Zusätzlich soll die zeitliche Planung der Massnahmen und deren Umsetzung besprochen werden.

Wie ist die Stimmung im Kernteam?
Wie ist die Stimmung im Gesamtteam?

Wie hat das Kernteam das Gesamtteam bisher einbezogen? Was ist gut angekommen was eher nicht?

Wie läuft die Umsetzung der Massnahmen bisher? Was läuft bisher gut – Was eher schwierig?

Ziel dieses Gespräches ist es, den Umsetzungsprozess zu reflektieren und gegebenfalls unterstützende Massnahmen zu diskutieren, planen und umzusetzen.

Aus dem Feedback des Kernteams und den Moderatorinnen, den gewonnenen Einsichten über Stärken und Schwächen des Umsetzungsprozesses und den erreichten Zielen wird eine Zusammenfassung erstellt. Diese dient dem Wissenserhalt einerseits und der Dissemination innerhalb des Teams und des Spitals, bzw. der Klinik andererseits. Der schriftliche Abschluss ist auch für die Kommunikation gegenüber der Managementebene wichtig. Dieser wird in Schritt 6 näher beschrieben.

Der Abschluss des Projekts wird für das Team schriftlich festgehalten. Die Zusammenfassung des Ablaufs, der getroffenen Massnahmen und der Ergebnisse dienen dazu, die Ergebnisse sichtbar zu machen und das gewonnene Wissen im Spital zu halten und weiterzugeben.

Ein Abschluss markiert das Zwischenziel des Trainingsprogramms. Mit Zwischenziel ist gemeint, dass das Trainingsprogramm nur ein Anstoss zur Auseinandersetzung mit Sicherheitskultur und Präventionsverhalten in Pflegeteams sein kann. Darüber hinaus fordern diese Themen ein fortwährendes Bewusstsein und die Auseinandersetzung innerhalb des Teams. Dennoch kann und soll das Zwischenziel genutzt werden, um den Lernprozess zu würdigen. Die Art und Weise ist je nach Teamkultur unterschiedlich. Teams können dies mit einemkleinen Treffen feiern, andere bevorzugen eine schriftliche Zusammenfassung der erreichten Ziele. Wichtig ist der Rückblick auf die festgelegten Ziele, der Stand der Zielerreichung, die Zusammenfassung der Gesamtevaluation und ein Ausblick (44).

Die Grundsätze der transparenten, zeitnahen und persönlichen Kommunikation gelten insbesondere nach Abschluss der Intervention. Die Feedbackkanäle (die in Schritt 3 bereitgestellt wurden) werden nun aktiviert.

Ziele

  • Ergebnisse werden offen und transparent informiert
  • Managementebene ist über Ergebnisse informiert

Eine gute transparente Kommunikation der «Projektergebnisse» nach der ersten Umsetzung sind wichtig. Aus der Forschung ist bekannt, dass besonders in komplexen Systemen, wie wir es bei Spitälern und Kliniken vorfinden, die Rückmeldung an die Teilnehmenden und andere Stakeholder im Unternehmen zu einem nachhaltigen Lernerfolg beitragen (41).

Dabei könnten die Projektergebnisse auf folgenden Ebenen kommuniziert werden:

A Ebene Pflegeteams: Pflegeteams die sich nicht am Programm beteiligt haben, können von den Beispielen der Teilnehmenden Teams lernen oder motiviert werden selbst teilzunehmen. Lassen sie möglichst Pflegende welche beteiligt waren von ihren Massnahmen, Erfolgen und Erfahrungen insgesamt berichten. Dazu eignen sich informelle aber auch formellere Kanäle.

B Ebene Pflegeleitungen und ggf. Spitalhygiene: Insbesondere Führungspersonen können von den Erfahrungen bei der Implementierung des Programmes lernen. Was lief gut – was schwierig? Welche Strategien waren hilfreich und wie hat sich das schlussendlich ausgewirkt – auf die Teams, deren Leitungen und die Zielerreichung. Die Kommunikation dazu kann in Führungssitzungen und für das Thema organisierten Workshops stattfinden.

B Ebene Management: Hier ist eine klare Kommunikation der Zielerreichung wichtig. Dazu ist wichtig nochmals zu kommunizieren was mit dem Programm erreicht werden wollte (nicht nur Durchimpfung erhöhen!) und was schlussendlich erreicht wurde. Auch Auswirkungen des Programms aus Sicht der Teilnehmenden können zusätzlich kommuniziert werden, sowie ein Ausblick zum weiteren Vorgehen.

Die Kommunikation des Feedbacks und der Verbesserungsvorschläge sollen transparent kommuniziert werden. Dazu können alle Kommunikationskanäle des Spitals oder der Klinik genutzt werden. Seien Sie ehrlich in der Kommunikation von positiven, aber auch negativen Ergebnissen. Klammern Sie Misserfolge nicht aus. Versuchen Sie dann aufzuzeigen, welche Learnings daraus auch für weitere Teams gezogen werden könnten. Stellen Sie sicher, dass alle Involvierten über den Abschluss informiert werden. Präsentieren Sie die Ergebnisse, wenn immer möglich, persönlich. Das heisst, lassen Sie die

Mögliche Instrumente zur Dissemination können sowohl informell und persönlich, als auch strukturiert und formeller sein:

  • Verbreitung eines Abschlussberichts (Siehe Gesamtevaluation)
  • Präsentation in Team-, Projekt- oder Fokusgruppen
  • Workshops
  • Newsletter und Bereitstellung von weiteren Materialien auf geeigneten Plattformen wie Intranet und Internet
  • Emails und Telefonate
  • Peer-Besuche und -Austausch (zum Beispiel in Form von Case Studies oder Best Practice)

Denken Sie auch an Patientinnen und Patienten oder (eher selten) die Öffentlichkeit in Absprache mit der Kommunikationsabteilung Ihrer Institution (Ref) (Diana Hodgon).I

Wichtig für einen nachhaltigen Erfolg ist der Einbezug der Managementebene. Dies hat unsere Studie gut aufgezeigt. Dies deckt sich mit Studien aus der Implementationsforschung, dass die Kommunikation zwischen Departementen und Stationen, aber auch in die Managementebene «hoch» die Nachhaltigkeit des Programms stützt und ermöglicht (29).

Ein wichtiger Punkt ist es, den Rückfall in das Referenzsystem «Impfrate» zu verhindern. Als Erinnerung: Das Interventionsprogramm definiert den Erfolg anhand von Resultaten wie der Verbesserung des Präventions- und Sicherheitsverhaltens von Pflegeteams. Dieses Referenzsystem wurde zwar bereits zu Beginn des Programms gegenüber der Managementebene kommuniziert. Unsere Studie hat aber gezeigt, dass dies im Verlaufe wieder vergessen wurde und durch das Referenzsystem «Impfrate» überdeckt wurde. Dies führte bei den teilnehmenden Pflegeteams zu Frustration und Resignation, weil ihre Arbeiten und Erfolge in anderen Bereichen nicht wahrgenommen wurden. Diesen Konflikt der Referenzsysteme erlebten vor allem die Stationsleitungen, die zwischen der Ebene Spitalmanagement und den Pflegeteams standen.

Die Kommunikation mit der Managementebene des Spitals oder der Klinik soll proaktiv gestaltet werden. Gehen Sie auf die einzelnen Personen und Gremien aktiv zu, suchen Sie Austauschmöglichkeiten und Plattformen, die Sie zur Verbreitung der Informationen nutzen können. Die Dissemination der Ergebnisse in die Managementebene erhöht die Akzeptanz von neuen Arbeitsroutinen oder Abläufen. Ausserdem stärkt es das Wertesystem der teilnehmenden Pflegeteams.

Im letzten Schritt wird die Nachhaltigkeit des Programms gesichert. Die einzelnen Schritte zur Sicherung und Weiterführung des Programms im Team sollen frühzeitig angedacht und geplant werden. Hierbei spielt auch die Kommunikation eine grosse Rolle. .

Ziele

  • Nachhaltigkeit

Inhalte

Die ständige und intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Sicherheits- und Präventionsverhalten in Bezug auf nosokomiale Influenzainfektionen entspricht einem Kulturwandel für viele Pflegeteams. Daher kann die einmalige Durchführung des TIP Training nur ein erster Schritt sein. Um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen, ist kontinuierliche Teamarbeit notwendig. Dies gilt nicht nur für die Teams selbst, sondern ebenso auf der Zusammenarbeit mit der Managementebene.

Aus der Studie ist ersichtlich, dass die Auseinandersetzung mit der Sicherheitskultur im Team zu Selbstbestimmung und Eigenverantwortung führt und dies von den Pflegeteams als grosser Gewinn angesehen wurde. Auch das Lernen, wie evidenzbasiertes Wissen über Influenza und nosokomiale Infektionen abgerufen werden kann, hilft, einen nachhaltigen Umgang damit zu fördern. Diese Erkenntnisse können auf andere Projekte innerhalb des Spitals angewendet werden.

Um Frustration zu vermeiden, soll von Beginn der Fokus auf einem langfristigen und nachhaltigen Kulturwandel innerhalb des Pflegeteams gelegt werden. Bereits zu Beginn des Programms soll darauf hingewiesen werden, dass ein Wertewandel Zeit und Ausdauer benötigt. Veränderungen der Sicherheitskultur sind nur durch anhaltende Bemühungen möglich. Der Spitalalltag nimmt rasch wieder Einzug und kann die Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse gefährden. Wiederum sind daher Führungsqualitäten der Abteilungs- und Pflegeleitung vonnöten, um in regelmässigen Abständen die Diskussionen um Patientensicherheit und Präventionsverhalten in Bezug auf Influenza anzustossen.

Das TIP Programm kann entprechend für einen kontinuierlichen Reflexions- und Verbesserungsprozess genutzt werden, wie er auch im «Plan-Do-Study-Act» Zyklus dargestellt wird.

PlanPlan a change or test aimed at improvement
DoCarry out the change or test (preferably on a small scale)
StudyExamine the results. What did we learn? What went wrong?
ActAdobt the change, abandon it or run through the cycle again
Demings Beschreibung des PDSA-Zirkels (49)
PDSA Zirkel und Verbesserungsmodell von Demings (39).
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